Nach der Wetterschlacht von 2019 wurde es Ende Juli wieder Zeit für Rad am Ring. 24h Radrennen im 4er Team, was man halt so am Wochenende macht…
Freitag, Anfahrt!
Freitag kurz nach 15 Uhr ging es los, das Auto war mindestens genau so voll mit Zeugs wie wir mit Vorfreude. Zu Dritt zum Nürburgring, Dank Stau – ist das diese Freiheit ohne Tempolimit von der immer alle reden? – erst gegen 18 Uhr an unserer Parzelle.
Die verlorene Zeit holten wir beim Zeltaufbau wieder rein, das Zelt zuletzt im Einsatz bei Rad am Ring 2019 hatte ich die Tage noch mal grob aufgebaut so wusste ich noch was zu tun war.
Nach dem Aufbau ging es gemeinsam zur Startnummernausgabe, im Beutel viel Papiermüll, WD40, ein paar Dextrotabletten. Nicht mal ein Aufkleber dabei, dabei hat Marcels Auto dringend einen neuen nötig!
Essen gab es früher auch mit einem Voucher für umsonst, zumindest konnte sich keiner daran erinnern ein 10er für ne Portion Nudeln gezahlt zu haben. Wie auch immer, auf den Schock gab es an der Parzelle erstmal ein Bierchen.
Samstag, letzte Vorbereitungen
7 Uhr irgendwas… gut ausgeschlafen… äh ne ist ja Camping… die Nacht war erst laut dann unbequem aber wir sind ja nicht für Wellness hier!
Das frühe Aufstehen hatte den Vorteil man hat Zeit für ein entspanntes Frühstück an der Parzelle, Kaffee, Müsli, Banane, etwas Nudelsalat eigentlich wie Gott in Frankreich!
Um 9 Uhr saßen wir schon auf den Rädern, einmal Alex die Route durch das Fahrerlager zeigen, ein paar Runden auf Teilen der Grandprix Strecke drehen, gucken wer alles an der Strecke sein Zelt, Camper oder LKW aufgestellt hat und den anderen zeigen das hier ein paar wilde Leoparden unterwegs sind.
Vor dem Start traf man auf die ein oder andere Strava Bekanntschaft oder kam einfach mit den Nachbarn oder Laufkundschaft ins Gespräch, so eine Horde Leoparden fällt bei Rad am Ring auf!
Alex und ich machten noch die Kameras ans Rad, Ricardo ging pinkeln, Bogi wuchtet noch seine Laufräder mit Golfgewichten aus, „marginal gains“ er hatte schließlich das Ziel die 100km/h zu knacken. Zwischendurch noch kurz zum Fahrerbriefing. Langsam kribbelte es in den Beinen…
Samstag, auf geht’s! Abfahrt!
Start war um 12:56, vorher düsten schon die Starter für die 25, 75 und 150km Distanzen an unserer Parzelle vorbei und man merkte jetzt wird es ernst, Rennduft liegt in der Luft!
Ricardo startete wieder als erster, dann ich, Alex und Marcel. Genau wie 2019, statt Henning dieses Jahr mit Alex. Als Ricardo unterwegs war wurde es ernst, habe ich alles? Schuhe? Helm? Muss noch was ans Rad? Exakt… es ist keine Bikepacking… was soll man denn mitnehmen auf ein Rennen mit 25km Länge, das Warten macht ein wahnsinnig!
13:40 Uhr… nach einer Runde knapp über 40 Minuten war Ricardo schon am Start… erster Wechsel, mein erster Einsatz… Endlich Rad am Ring ich komme! #BALLERN!
Top motiviert ging es auf die Strecke, Wetter perfekt, vielleicht etwa viel wind aber trocken und sonnig!
Die Strecke
Unsere Parzelle lag auch wie 2019 im „L“ Bereich auf dem nördlichen Teil der GrandPrix Strecke im Advan-Bogen. Von dort ging es erst durchs Fahrerlager und dann falschrum durch die Boxengasse bevor man auf die Nordschleife kommt und es etwas ruhiger wird… nicht das Tempo aber der Trubel an den Parzellen fiel weg.
Die ersten Kilometer ging es eigentlich nur bergab, keine komplizierten Kurven, viel Platz, höchstens mal eine kleine Welle die man idealerweise mit viel Schwung einfach „wegdrücken“ kann. Am „Flugplatz“ (Kilometer 4, siehe Streckenplan weiter unten) musste man das erste Mal aus dem Sattel und dann geht es für manche Fahrer mit über 100 Km/h die „Fuchsröhre“ (Kilometer 6) runter. Vorteil um so schneller man da runter heizte um so einfach ist der Gegenanstieg, ich kann aber bestätigen auch unter 100km/h konnte man den Gegenanstieg locker hoch rollen.
Das Stück von „Kallenhard“ bis „Wehrseifen“ konnte man bei freier Strecke und somit freier Wahl der Linie bzw. freier Ideallinie Vollgas fahren. Es empfiehlt sich da durchaus der Blick auch mal nach hinten um da keinem in die Linie zu fahren. An der „Ex-Mühle“ (Kilometer 9) war dann Ende mit dem Rausch, die Kurve war einer der anspruchsvolleren und spätestens danach war sowieso Schluss mit fliegen, denn dann ging es rauf zur „Hohen Acht“.
Die Hohe Acht ist am Anfang bis zu 10% steil, flacht dann etwas auf 6-8% ab und hat sogar am „Karussell“ eine kleine Senke bevor es in den steilsten Teil mit bis zu 17% geht. Für die 4 Kilometer liegt die Bestzeit bei 9:41 (25,3km/h im Schnitt!), ich konnte in der ersten Runde meinen PR auf 13:22 (18,3km/h) um 38 Sekunden gegenüber 2019 verbessern.
Gerade in den späteren Runden war hier totenstille, das Hecheln der Teilnehmer war das Einzige was man hörte. Es kostet sicherlich auch mental viel Kraft auf dem scheinbaren „Flachstück“ so ans Limit zu müssen aber durch die Straßenbreite merkte man den Anstieg optisch kaum. Hier hatte man aber Zeit mal nach bekannten Gesichtern Ausschau zu halten und so traf ich zum Beispiel auf Stephan Hörsken vom Cycling Club Düsseldorf (CCD). Die Jungs vom Zoo Leipzig hatten ebenfalls ein Leomuster auf dem Trikot, mein „komm Leo“ wurde mit einem verzweifelten Lachen quittiert. Schweizer mit Posträdern aus den 40er Jahren oder Klappräder, es gab einiges zu sehen.
Wie immer gab es oben an der Hohen Acht ein Verpflegungspunkt (am Anfang übrigens auch) und ein DJ der Musik auflag und mit seiner Wattleistung dazu beitrug die Teilenehmer von Rad am Ring über die Kuppe zu pushen.
Von der Hohen Acht ging es dann erstmal wieder runter, über die üblichen Wellen „Eschbach“ (Kilometer 15,5) und vor dem „Pflanzengarten“ (Kilometer 17) konnte man, wenn man vorher gut durch die Kurven kam und die Beine noch da waren, gut drüber drücken. Hoch zum „Galgenkopf“ war man gut beraten eine Gruppe zu halten. Oder sich noch einer anzuschließen. Man hatte die Wahl, hier ein paar Körner investieren oder am Ende auf der „Döttinger-Höhe“ (Kilometer 19) im Wind sterben.
Wobei wenn keine Gruppe kommt, kam nur der Wind. Aber der in Gruppenstärke ?
Die „Döttinger-Höhe“ ist sehr gerade und geht erst leicht bergab und dann spürbar bergauf. Es gab da durchaus Maschinen oder Teams die sind da zu zweit oder dritt ohne Wechsel wie eine Eisenbahn hoch, da konnte man sich im Windschatten noch entspannt die Fußnägel schneiden aber es gab auch Runden da war man selbst die Eisenbahn – wenn auch ein langsames Modell – oder ein einsamer Triebwagen auf der Suche nach Anschluss. Danke hier auch an das Team Strassacker, der Anfahrer des 1. Platzierten in der 24h Einzelwertung Daniel Novak hat mich da eine Runde mitgezogen, die Ablöse war dann zu schnell und das ganze Gruppetto zerfiel. Vermutlich passte es nicht zu seinem Pacing-Plan.
Kurz vor der Start/Ziel-Geraden geht es vom „Tiergarten“ noch in einer S-Kurve bergauf, man denkt nach der Kurve hat man den Anstieg geschafft, aber das Teil ist zäh und mit der Gegenwind der nach der Kurve auf der Start/Ziel-Geraden auf einen wartet durchaus auch schmerzhaft.
Mit der Start/Ziel-Geraden kommt man und viele andere (aber nicht alle) in einen Rausch, da will man Sprinten also egal wie schmerzhaft die Runde auf der Nordschleife war, da kommt dann noch mal alles in die Pedale und wenn man Glück hat bildet sich wieder ein kleiner Zug.
Hinter der Geraden geht es kurvig durch die Party Meile hier ist wieder mehr Fußvolk unterwegs und es wird etwas chaotischer, 180 Grad rechts, dann links und wieder rechts… und überall am Rand der Strecke stehen die Zelte der anderen Teams, Musik dröhnt einem um die Ohren und in der Dunkelheit der Nacht wird die Partybeleuchtung angeworfen und man wird über die letzten Kilometer der Runde gepushed. Das letzte Stück, hinter der Bilstein-Kurve, geht noch mal ordentlich bergab und so fliegt man mit Top-Speed an unserer Parzelle vorbei! Idealerweise wechselt man da noch irgendwie die Transponderflasche.
Erster Einsatz bei Rad am Ring 2023, gleich ein neuer PR „Nürburgring Nordschleife“ 38:26 (ohne Grand-Prix Strecke). 34 Sekunden rausgeholt… hatte ganz vergessen was das ein Spaß war! Erstmal was essen!
Da man mitten auf der Strecke wechselt, sind die offiziellen Zeiten unterschiedlich zu den selbst gestoppten Zeiten, da man ja immer ein Teil des anderen mitfährt
Wechselstrategie & Wartemusik
Gewechselt haben wir dieses Jahr nach jeder Runde, auch in der Nacht, mit den Werten aus 2019 wussten, wir dies ist der schnellste Weg. Um den Speed mitzunehmen am Tag etwas weiter oben an der Strecke, nachts war es aber einfacher direkt an der Parzelle zu wechseln. Mit dem Wind war es dort auch deutlich angenehmer im Windschatten oder mit Jacke zu warten. So wirklich schlafen konnte man auch mit den doppelten Runden in der Nacht damals nicht, der ganze Trubel neben der Strecke, hier wird gegrillt, dort 8000 Watt aus dem Bluetooth Lautsprecher andere Philosophen unterhalten den halben Platz mit Lebensweisheiten. Daher jede Runde ein Wechsel, 24 Stunden durch!
Die Runden vergingen wie im Fluge, die Zeit in den Pausen daher irgendwie auch, Essen kochen, Essen essen, viel essen, quatschen, Social Media Instabitch-Stress, Ricardo musste alle 10 Minuten pinkeln, Marcel kürzte seine Fahrradkette noch um 10 Glieder… es wurde nie langweilig.
Nachts
In der Nacht wurde es noch mal besonders, dieses Jahr ohne Nebel oder Regen daher deutlich entspannter. Ich musste in der Nacht zwei Mal auf die Strecke, einmal gegen 23:30 Uhr und noch mal um 2:50 Uhr. Gefühlt war es deutlich voller oder diese ganzen Rücklichter täuschten einen nur, manche davon so hell und schrecklich blinkend, da konnte man kaum hingucken. Gefühlt war ich in der Nacht noch schneller, aber der Wahoo sagte am Ende das Gegenteil. Diese Technik, schrecklich! Vermutlich berauscht durch die Partybeleuchtung und Stimmung auf Grandprix Strecke und an der Hohen Acht. Die Stimmung war einfach Top-Speed!
Sonntag, Sonnenaufgang
Schlaf gab es dieses Jahr dafür nicht wirklich, einmal 15 Minuten liegen und einmal 30 Minuten, so richtig erfrischend war das nicht aber das Rennfieber hielt mich wach. Ricardo unser Spezialist für Sonnenaufgänge war auch – welch ein Zufall – passen zum Sonnaufgang an der Reihe! Ich durfte im Anschluss um 6:10 also eigentlich ein ganz normaler Sonntag nur leider ohne das anschließende leckere Frühstück.
Es gab Toast mit Nutella, belgische Waffeln (keine Sorge nur die abgepackten nichts Leckeres), Milchreis, Nudelsalat… Der Bauch sagte ich will nix essen, der Kopf sagte irgendwas muss da in den Ofen damit das Feuer am Ende nicht ausgeht… also rein mit dem Mist! Rad am Ring ist schließlich kein Gourmet Festival!
Rennabbruch
Mit dem Tageslicht war auch der Wind wieder zurück und machte es uns nicht leichter – aber den anderen Teams auch nicht. Je nach Gruppetto verlor man auf der „Döttinger-Höhe“ Minuten und gegen 9 Uhr gab es die offizielle Ansage vom Veranstalter die Zelte abzubauen oder gegen den aufziehenden Sturm zu sichern. Da unser Pavillon im Wind ähnlich litt wie wir, bauten wir ihn schon mal ab – endlich mal was zu tun zwischen den Einsätzen.
Meine letzte Runde startete ich um 9:30 Uhr im leichten Nieselregen, die Strecke war zwar auf der Idealline noch trocken aber mit dem Wind wurden die Abfahrten schon eine Nummer gefährlicher. „Fuchsröhre“ und auch „Kallenhard“ musste ich rausnehmen und mich etwas gegen den Wind wehren.
Andere fingen auch an abzubauen, was dafür sorgte, dass ich nach meiner letzten Runde an der Parzelle vorbei gefahren bin. Erst an der Seitenstraße hatte ich gemerkt ich bin zu weit, aber dann kam von hinten schon Marcel und löste mich ab… ich hatte mit Alex gerechnet und war so verwirrt, da fiel mir noch glatt die Transponderflasche aus der Hand…
Während Marcel seine Runde fuhr bauten wir weiter das Zelt ab, der Wind nahm mehr und mehr zu und dann hörte man etwas von Rennabbruch, wir waren uns unsicher aber vielleicht war der angesagte Sturm ja doch eine Nummer zu gefährlich. Die Durchsage kam dann prompt und so wurde aufgrund eines schweren Sturzes im Abschnitt „Kallenhard“ bis „Wehrseifen“ das Rennen abgebrochen, so dass ein Helikopter sicher an der Unfallstelle landen konnte. Wir hofften das Marcel da sicher durchgekommen ist und waren froh als er – ebenfalls ohne Orientierungspunkt – bei uns an der Parzelle vorbei rauschte und heil zurück war.
Das Zelt war abgebaut, das Rennen abgebrochen, wir waren trotzdem Zufrieden! Eine super homogene Teamleistung brachte uns am Ende den 17. Platz in der Gesamtwertung der Männer (771 Teams) und den 9. Platz in der Altersklassen Wertung Masters 1 ein. Darauf ne Pommes! Was ein geiles Rad am Ring Wochenende!